In 30 Tagen um die Welt, 2. Tag
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.. von Tullnerbach nach Neulengbach
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Die Reise von Tullnerbach nach Neulengbach ist nicht weit, grad bissel weiter als man spucken kann.
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Neulengbach liegt im schönen Wienerwald, wie jedermann weiß, und das war schon dazumals nicht anders, als Herr Egon Schiele im April 1912 dortselbst drei Wochen Arresthaft abzusitzen hatte. Niemand weiß heute mehr den Grund, warum die Neulengbacher Herrn Schiele damals eigentlich arrestierten, was nicht weiter verwundern muss, weils ja die Neulengbacher ihrerseits selber nicht wussten. Also kamen sie überein, nachdem sie Herrn Schiele drei Wochen lang in ihrem Arrest hatten schmoren lassen, dass es wohl rechtens & billig wäre, ihn mindestens wegen irgendwas zu verurteilen, damit der Arme nicht völlig schuldlos habe schmoren müssen. Eine Verhandlung fand also statt und tatsächlich wurde Herr Schiele verurteilt, nämlich zu insgesamt drei Tagen Arrest.
Weil nun die Neulengbacher pfiffige Kopfrechner waren, gelang es ihnen unschwer auszurechnen, dass der Verurteilte seine Strafe somit längst rechtmäßig abgebüßt hatte, und sie ließen ihn laufen.
Freilich fand Herr Schiele während seines dreiwöchigen Arrestaufenthaltes wenig Anlass zu meckern, immerhin kriegte er ein Einzelzimmer in verkehrsberuhigter Lage, mit Einlieger-WC sowie regelmäßige kostenfreie Mahlzeiten, undsoweiter.
Und zweitens fand der Künstler allhier die gebotene Muße und innere Einkehr, unbehelligt von störenden Besuchern dreizehn kontemplative Aquarelle von der Innenansicht seiner Neulengbacher Zellentür anzufertigen, was er eh schon längst mal hatte tun wollen.
(Heute hängt Herrn Schieles Neulengbacher Dreizehn-Türen-Zyklus in der Wiener Albertina, wer’s nicht glaubt, kann selber hingehen und nachschauen.)
Im Nachhinein sollte man den kunstsinnigen Neulengbachern dafür danken, dass sie ihm seinerzeit so freizügig Kost & Quartier gewährten und darüber hinaus die nette Gelegenheit, ihre Tür zu malen. Besagte Zellentür übrigens entwendete Herr Schiele den Neulengbachern bei seiner Entlassung insgeheim und schenkte sie seiner minderjährigen Cousine zum ersten Schultag, worüber sich das Mädel ganz schrecklich freute wie sich vermuten lässt.
Die Neulengbacher prozessieren bis heute mit Herrn Schieles Nachfahren darüber, dass sie ihre Tür endlich wieder zurückkriegen.
Die Sicherheitsverwahrung von Straftätern in der Neulengbacher Arrestanstalt stellt sich seit jenem seitens Herrn Schiele erwirkten Abhandenkommen der Zellentür als ausgesprochen unbefriedigend dar.
.. von Tullnerbach nach Neulengbach
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Die Reise von Tullnerbach nach Neulengbach ist nicht weit, grad bissel weiter als man spucken kann.
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Neulengbach liegt im schönen Wienerwald, wie jedermann weiß, und das war schon dazumals nicht anders, als Herr Egon Schiele im April 1912 dortselbst drei Wochen Arresthaft abzusitzen hatte. Niemand weiß heute mehr den Grund, warum die Neulengbacher Herrn Schiele damals eigentlich arrestierten, was nicht weiter verwundern muss, weils ja die Neulengbacher ihrerseits selber nicht wussten. Also kamen sie überein, nachdem sie Herrn Schiele drei Wochen lang in ihrem Arrest hatten schmoren lassen, dass es wohl rechtens & billig wäre, ihn mindestens wegen irgendwas zu verurteilen, damit der Arme nicht völlig schuldlos habe schmoren müssen. Eine Verhandlung fand also statt und tatsächlich wurde Herr Schiele verurteilt, nämlich zu insgesamt drei Tagen Arrest.
Weil nun die Neulengbacher pfiffige Kopfrechner waren, gelang es ihnen unschwer auszurechnen, dass der Verurteilte seine Strafe somit längst rechtmäßig abgebüßt hatte, und sie ließen ihn laufen.
Freilich fand Herr Schiele während seines dreiwöchigen Arrestaufenthaltes wenig Anlass zu meckern, immerhin kriegte er ein Einzelzimmer in verkehrsberuhigter Lage, mit Einlieger-WC sowie regelmäßige kostenfreie Mahlzeiten, undsoweiter.
Und zweitens fand der Künstler allhier die gebotene Muße und innere Einkehr, unbehelligt von störenden Besuchern dreizehn kontemplative Aquarelle von der Innenansicht seiner Neulengbacher Zellentür anzufertigen, was er eh schon längst mal hatte tun wollen.
(Heute hängt Herrn Schieles Neulengbacher Dreizehn-Türen-Zyklus in der Wiener Albertina, wer’s nicht glaubt, kann selber hingehen und nachschauen.)
Im Nachhinein sollte man den kunstsinnigen Neulengbachern dafür danken, dass sie ihm seinerzeit so freizügig Kost & Quartier gewährten und darüber hinaus die nette Gelegenheit, ihre Tür zu malen. Besagte Zellentür übrigens entwendete Herr Schiele den Neulengbachern bei seiner Entlassung insgeheim und schenkte sie seiner minderjährigen Cousine zum ersten Schultag, worüber sich das Mädel ganz schrecklich freute wie sich vermuten lässt.
Die Neulengbacher prozessieren bis heute mit Herrn Schieles Nachfahren darüber, dass sie ihre Tür endlich wieder zurückkriegen.
Die Sicherheitsverwahrung von Straftätern in der Neulengbacher Arrestanstalt stellt sich seit jenem seitens Herrn Schiele erwirkten Abhandenkommen der Zellentür als ausgesprochen unbefriedigend dar.
nömix - 2006/05/02 06:54