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Im Reich der Milchbubis

In seiner Stefan-Aust-Biografie “Der Spiegel-Komplex“ berichtet Oliver Gehrs, dass es unter Rudolf Augsteins Ägide beim SPIEGEL üblich war, relevante Artikel bis zu zehn­mal (sic) in un­terschiedlichen Redaktionen gegenlesen zu lassen, bevor sie zum Abdruck freigegeben wur­den. Während der Ära Aust wurde diese Gepflogenheit aufgegeben, was sich auf die Qua­li­tät der Veröffentlichungen gravierend auswirkte. (Mittlerweile möchte man meinen, dass manche Artikel dort überhaupt nimmer gelesen werden, ehe sie an die Öffentlichkeit ge­lan­gen. Anders lässt es sich kaum erklären, wenn ein vormaliges Qualitäts-Medium dem zah­len­den Leser der­lei aufgeblasene Luftnummern auftischt.)

Na gut, Fernsehprogramm und Salzgurken waren früher auch besser und das Wetter sowieso – warum solls mit dem SPIEGEL anders hergehen, und drüber raunzen nützt bekanntlich eh nix.

Ausgesprochen ärgerlich wirds aber, wenn einer meint, seine Texte mit dümmlichen Sprüchen auf Schülerzeitungs-Niveau tieferlegen zu müssen, und das notorisch. In einem Artikel über die Bevölkerungsverschiebung im Neolithikum unter dem Titel »Im Reich der Milchbubis« in der Rubrik Wissenschaft schreibt der z.B.: Möchte mal wer verraten, was dieser Kasperkram in einer seriösen Berichterstattung verloren hat? Wie alt ist dieser Komiker bitte, ein siebzehnjähriger Ferialpraktikant? Nein, der Mann ist 53 und Wissenschafts-Redak­teur. Und offenkundig ist da keiner in der SPIEGEL-Redak­tion, der seine Kaspereien vor der Drucklegung gegenliest und den fragt: ’tschuldigung Herr Kollege, aber glauben Sie ernsthaft, dass irgendein erwach­sener Leser sowas für lustig halten soll?

Jammerschade um den schönen SPIEGEL – wenn die weiter so eifrig dran arbeiten, das Niveau endgültig plattzumachen, wird das denen bald gelungen sein.