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Ösitanisches

2. September

Heute vor 122 Jahren erblickte im galizischen Brody (heute Ukraine) der große öster­rei­chi­sche Schriftsteller Joseph Roth (1894-1939) das Licht der k. & k. Donau­mo­nar­chie.

Roth war in gleichem Maße glühender Monarchist und exzessiver Alkoholiker. 1939 traf er im Exil in Paris mit Otto von Habsburg zusammen, dem Sohn des letzten Kaisers von Österreich & Königs von Ungarn. Kaisersohn Otto war darüber besorgt, dass der halt­lose Alkoholkonsum den großen Dichter über kurz oder lang zu Tode bringen würde, deshalb ließ er ihn vor sich antreten und sprach ein Machtwort: in scharfem Ton befahl er Roth, augenblicklich mit dem Trinken aufzuhören.
Roth schlug die Hacken zusammen und rief: »Jawoll, Majestät!« – und rührte fortan keinen Tropfen Alkohol mehr an.
Kurz darauf starb er. Todesursache war der abrupte Alkoholentzug.

Etymologisches

Aus der Reihe: “Ösitanisch für Außerösische“
Bahöh, der = österreichisch für Krawall, Wirbel, Aufruhr, Radau, Streit;
an Botzn Bahöh mochn = viel Aufhebens, Lärm um nichts machen
a murds Bahöh = ziemlicher Tumult
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Herleitung: Bahöl, von jiddisch Bahel, rotwelsch Balhe = Lärm, Verdruß, Streiterei; mittel­he­brä­isch behãlã = Durch­ein­ander, Entsetzen
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(Vgl. auch: ungarisch balhé = Krawall, Stunk)
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[Quelle: H. Stern, Wörterbuch z. jiddischen Lehnwortschatz i. d. deutschen Dialekten].
Anmerkungen:
Ziemlich abwegig erscheint hingegen die Herleitung im DUDEN,und ist vermutlich unsinnig:
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Ba­höl, der: großer Lärm, Tumult. Herkunft: zu mittelhochdeutsch behellen = über etwas hi­naus tönen, zu: hellen, althochdeutsch hellan = tönen  [*]
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Die Herleitungen von P. Wehle, Sprechen Sie Wienerisch?, beruhen zuweilen auf bloßen Mut­maßungen oder Hörensagen, wie er selbst einräumt:
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Bahöö: Streit, Durcheinander, Lärm. Vielleicht aus dem Tschechischen, wo lt. mündlicher Mit­teilung pahel oder pahol soviel wie Krawall bedeutet; müßte Dialektwort sein, da es im Lexikon nicht aufscheint; jidd. palhe = Lärm; kommt vielleicht v. ung. páholni = prügeln;
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Der nämliche Unsinn steht auch auf Wikipedia:
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Bahö, alternative Schreibweise: Bahöl. Herkunft aus tschechisch bahol = Krawall, ungarisch páholni = prügeln;  jiddisch palhe = Lärm.  [*]
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(Freilich hätte sich in Zeiten des Internet rasch herausfinden lassen, dass es das Wort »bahol« im Tschechischen überhaupt nicht gibt.)

27. August – Linguistisches

Aus der Reihe: “Ösitanisch für Außerösische“

Gerhard Berger vulgo Hättiwari hat heute Geburtstag, der »personifizierte Kon­junk­tivus Aus­triacus«, wie ihn Kollegin Thera hieramts trefflich tituliert.

Hättiwari (=“Hätte ich, dann wäre ich“) Berger ist bekanntlich Tiroler, und freilich unterschei­den sich die Flexionssuffixe beim Konjunktiv im Südmittel- sowie Süd­bairischen mitunter er­heb­lich vom Ost­mit­telbairischen, d.h. also:
.Waradara Gscheada, haßada Hädadiwaradi.*)
*) (Übers. f. Außerösische:
.....»Wäre er Niederösterreicher, hieße er “Hätterte ich, dann wärerte ich“.«)

Österreich – Schweiz 7:5

Heute vor 62 Jahren, am 26. Juni 1954, fand die sogenannte »Hitzeschlacht von Lausanne« statt, nämlich das Viertelfinalspiel Österreich  Schweiz, welches als WM-End­run­denspiel mit den meisten Toren in die Fußballgeschichte einging.

Im Stadion Olympique in Lausanne hatte es 40°C im Schatten, und der öster­rei­chi­sche Tor­mann Kurt Schmied erlitt bereits in der ersten Viertelstunde einen Hitzekoller und taumelte ori­en­tie­rungs­los vor seinem Tor hin und her, worauf die Schweizer binnen zehn Minuten drei Tore schossen. Da die Regel damals nicht erlaubte den Torhüter auszuwechseln, musste der Mann­schaftsmasseur hinter dem österreichischen Tor Aufstellung nehmen um den weg­ge­tre­te­nen Schmied während des restlichen Spiels durch Zurufe zu di­ri­gie­ren. Dennoch gelang es den Öster­reichern, binnen weiterer zehn Minuten fünf Gegentore zu schießen, sodass sie nach einem Anschlusstreffer der Schweizer zur Halbzeit mit 5:4 führten. Auch in der zweiten Spiel­hälfte blieben die Österreicher trotz ihres faktisch abwesenden Schlussmannes do­mi­nant, und so endete das Spiel mit einem 7:5-Sieg und dem bis heute be­ste­henden Rekord von zwölf Toren. Tormann Schmied konnte sich nach dem Spiel an nichts mehr erinnern, Öster­reich er­reich­te bei der WM 1954 den dritten Platz.
Heutzutage pflegt Österreich für gewöhnlich nimmer so hoch zu gewinnen.


(Lausanne 1954: Schweizer links, Österreicher v. rechts: Hanappi, Stojaspal, A.Körner, Koller, Wagner, Probst, Bar­schandt, R.Körner, Happel, Schmied, Ocwirk.)

Der halbe Präsident

Paul Watzlawick erzählt in Anleitung zum Unglücklichsein die Geschichte von der Mutter, die ihrem Sohn zwei Kra­wat­ten schenkt. Als er sie das nächstemal besucht, trägt er eine davon, aber die Mutter sagt gekränkt: »Ach, die andere gefällt dir wohl nicht.«
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Weil die Hälfte der Österreicher Van der Bellen gewählt hat, macht Österreichs bedeutendstes Volksinformationsorgan mit dem saudummen Titel auf: »Der halbe Präsident« und konstatiert, die andere Hälfte lehne ihn als Präsident ab.
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Das ist die gleiche Art saudummer »Äpfel & Bana­nen«-Ma­the­ma­tik, wie sie uns von Österreichs auf­la­genstärkster Ver­schenkpostille vorgerechnet wird: wenn sich 50 Prozent der Öster­reicher auf die Frage, ob sie lieber Äpfel oder Bananen mögen, für Bananen entscheiden, daraus das Resultat zu kon­struieren, die Hälfte der Österreicher »lehnt Äpfel ab«.

Die Stimme der Vernunft

Norbert Hofer-mit-durchgestrichenem-o Bun­des­prä­sident? (hab gedacht, Heinz Fischer wäre Bundes­prä­si­dent – hab ich was nicht mit­gekriegt?) Der sei die Stimme der Venunft, verrät Wahlkampfdicht­meis­ter Herbert K., und das überrascht freilich beträchtlich. Oder handelt sichs bei diesem Norbert Hofer-mit- durchgestrichenem-o etwa um einen andern als den­jenigen Norbert Hofer-noch-nicht-Bun­des­prä­si­dent, welcher über den grünen Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten Van der Bellen in St. Pölten sagte:
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»Wir brauchen keinen faschistischen grünen Diktator.«
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Faschistischer Diktator? Weiß der überhaupt wovon er da redet, wenn er von einem »faschis­ti­schen Diktator« redet? So einen saudummen Schmarrn redet keine Stimme der Vernunft da­her. So redet höchstens einer daher, der seine Vernunft daheim im Schrank ließ als er nach St. Pölten fuhr.
(»Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer« heißt eine Grafik von Goya. Der Schlaf der Ver­nunft gebiert ungeheuren Dumpfsinn, ließe sich ergänzen – z.B. wenn ein Norbert Hofer in St. Pölten spricht, ohne diese in Gebrauch zu nehmen.)

Zweierlei Maß

Dem Nobelpreisträger Konrad Lorenz wurde von der Universität Salzburg sein 1983 ver­lie­he­nes Ehrendoktorat aberkannt, weil man dort plötzlich draufgekommen ist, er habe sich die Ehrung durch Verschweigen seiner nationalsozialistischen und rassistischen Geistes­hal­tung »erschlichen«. (Was man sich in Salzburg unter »erschleichen« vorstellt, ist nicht ganz klar – hat Herr Lorenz etwa unter Vorspiegelung falscher Tat­sachen um die Ver­lei­hung des Eh­ren­titels antichambrieren müssen, oder kriegte er den ungebeten umgehängt?)
Übrigens: auch einem Herrn Reichskapellmeister Herbert von Karajan, nationalsozialistischer Ideologie und antisemitischer Gesinnung bekanntlich kaum abholder als ein Herr Lorenz, wurde von derselben Universität Salzburg 1978 gleichfalls ein Ehrendoktorat verliehen.
Über eine Aberkennung mit der nämlichen Begründung wurde im Fall des Salzburger Säulen­hei­li­gen bisher aller­dings noch nichts bekannt.

(Graugans & Verhausschweinung nach Konrad Lorenz, © Atelier Stuntstorch)

Paragrammatisches

    ♫ ♪ Du guada Himmevoda,
    i brauch ka Baradies.
    I bleib vü liawa doda,
    wäu’s do vü schena is. ♫
    (Alexander Krakauer).

(Wien I., Judenplatz)

20. Juli

Für Statistiker: heute vor 149 Jahren gewannen die Österreicher zum ersten & bislang letzten Mal eine Seeschlacht gegen die Italiener, und an dieser Statistik wird sich in absehbarer Zu­kunft voraussichtlich nimmer viel ändern.

Appellatives

Aus der Reihe: “Ösitanisch für Außerösische“
Kollegin Etosha nimmt den Kommentar von Kollege gulogulo zu einem vorangegan­genen Ein­trag wiederum zum Anlass für erweiterte Ausführungen über das »reflexive Schleichen«.

Neben der appellativen Bedeutungsvariante »Verschwinde, Hau ab!« im räumlichen, sowie »Lass mich in Ruhe!« im kommunikativen Sinne – der an den Angesprochenen direkt ad­res­sierten Aufforderung, sich aus dem Wahrnehmungsbereich des Sprechers hin­weg zu verfügen – tritt der Imperativus Ösitaniensis »(Geh) schleich di« [schleiche dich; reflexiv] in pseudo-appellativer Variante in breitem Bedeutungsspektrum auf.

Im ösitanischen Idiom findet die Wendung »Schleich di!« bevorzugt als sekundäre In­ter­jektion Gebrauch, um etwa Überraschung, Verblüfftheit, ungläubiges Er­staunen, aber auch Be­stür­zung, Verärgerung, u.ä. zum Ausdruck zu bringen. Ob der Sprecher mit diesem Aus­spruch positive oder negative Emotion kundtut, lässt sich für den Zu­hörer aus der unter­schied­lichen Modulation der Tonhöhe & Klangfärbung sowie Deh­nung des Vokals erkennen.

– Kollegin Etosha führt als Dialogbeispiel an:
    »Ich hab fünf Tausender im Lotto gewonnen!«
    »Geh schleeeich di!«
    [Übers. f. Außerösische: »Nein, wirklich? Nicht zu fassen!«]
– Die nämlichen Vokabeln, jedoch unter variierter Betonung & Vokaldehnung, for­mu­lieren sich ebenso zur Beileidsbekundung:
    »Gestern ist mein Hund gestorben.«
    »Geh schleeich di!!«
    [»Ach, wie traurig. Das tut mir leid.«]
– oder zum Ausdruck des Entsetzens:
    »Unser Haus ist abgebrannt.«
    »Geh schleich di!!!«
    [»Mach keine Witze! Das ist ja schrecklich.«]
Mitunter richtet sich der pseudo-appellative Imperativ auch an ein imaginäres Gegen­über, indem der Ausrufer angesichts eines unerbaulichen Sachverhalts ungehalten in Monologform interjektiert,
– als Unmutsäußerung:
    »Geh schleich di!«
    [»Verflixt! So ein Mist.«]
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Kollege Hubbie bemerkt in einem Kommentar zu dem referenzierten Artikel überdies eine Tendenz des Imperativus Ösitaniensis ins vermeintlich Vulgäre, welche sich z.B. in der mit »Geh schleich di!« synonymen Interjektion »Geh, leck!« (auch: »Ja, leck!«) gleichfalls fest­stellen lässt. So mag es den außerösischen Zuhörer durchaus befremden, wenn der ösi­ta­nische Sprecher seine Verwunderung (Betroffenheit usw.) solcherart ar­tikuliert, indem er ihm ex­pres­sis verbis das (Arsch-)lecken aufträgt.
Wir kennen die Redensart aus der konkreten Fallbeschreibung des sogenannten Herr­gott­schnitzer-Syndroms:

Der Pfarrer gibt beim Herrgottschnitzer*) eine Schmerzensmannfigur in Auftrag, und als er sie zum erstenmal sieht, da erscheint ihm der dargestellte Gesichtsausdruck zu­wenig leidend: der Herrgottschnitzer solle nachbessern. Also schnitzt der weiter an den Gesichtszügen, um sie noch schmerzverzerrter zu gestalten; der Pfarrer indessen ist noch immer nicht zufrieden. Der Herrgott­schnitzer schnitzt weiter und weiter an der Leidensmiene des Schmerzensmanns herum – bis er zuletzt resümiert:
    »Jo leck mi’n Oasch, jetzt lacht er.«
    [Übers. f. Außerösische: »Weniger wäre mehr gewesen.«]